Interview: Zusammenhang zwischen Selbstliebe und Essstörungen

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Mein Interview mit der Buchautorin Michaela Schubert zum Thema Selbstliebe und Essstörungen:

Liebe Michaela, warum gibt es zwischen Selbstliebe und Essstörungen einen Zusammenhang?

Michaela Schubert, Buchautorin, Profilbild
Michaela Schubert

Michaela Schubert: Bis auf ein paar wenige, traurige Ausnahmen kennen wir zu Beginn unseres Lebens nur bedingungslose Liebe. Wir erhalten sie von jedem. Wenn wir in einen Kinderwagen schauen, sprechen wir ganz automatisch in einer Babysprache. Oft überwältigt uns das Verlangen, über das zart duftende Haar zu streicheln oder an die kleine Nase zu stupsen. Egal was der kleine Mensch macht, er wird überwiegend mit Liebe belohnt. Selbst ein Pups oder Bäuerchen löst einen wahren Freudentanz aus. Was zu Beginn des Lebens lobend anerkannt wird, rutscht im Laufe des Erwachsenwerdens systematisch ins krasse Gegenteil.

Ein kleiner Erdenbürger ist auf seine Eltern angewiesen und belohnt diese mit bedingungsloser Zuneigung. Ihm ist es gleichgültig, ob es einen Strampler eines Luxusdesigners trägt. Auch ist dem Kleinen einerlei, ob mögliche Problemzonen versteckt sind oder ob seine Vorzüge glamourös zur Geltung kommen. So wie das Baby auf die Welt kommt, ist es für alle und somit für sich selbst perfekt. Kinder lieben deshalb bedingungslos und ehrlich. Sie kennen nichts anderes.

Ebenso muss die Mama nicht durchtrainiert sein, wie so manche prominente Mutter, die sich kurz nach der Geburt mit einem makellosen Körper in den Medien sonnt. Die Mama muss auch nicht im Übermaß erfolgreich im Job und Haushalt sein. Nein, in erster Linie muss die Mama glücklich und voller Liebe für ihren Nachwuchs sein. Mehr wünscht sich das Kind nicht.

Wann ändert sich der Idealzustand der bedingungslosen Liebe und was hat das Deiner Meinung nach mit dem Streben zum Perfekt-sein zu tun?

Michaela Schubert: Diese reine Liebe verschwindet mit den Lebensjahren. Immer neue Bedingungen und Erwartungen kommen hinzu. Kinder müssen in ein Raster passen, müssen mit Gleichaltrigen in jeder Hinsicht standhalten. Überall wird verglichen und kategorisiert in „gut/nicht gut“ oder in „perfekt/nicht perfekt“. Zweifel beginnen zu keimen – nicht nur in einem Kind. „Bin ich zu dick? Zu dumm? Zu hässlich? Wie muss ich sein, dass andere mich lieben?“

Wir leben in einer Zeit, in der aufgrund der Schnelligkeit viel, auch oft unbemerkt, kaputtgeht. Familien brechen auseinander, Menschen zerstören sich, neue wissenschaftliche Entdeckungen treiben uns an den Rand des Wahnsinns. Der Wunsch nach Liebe und Anerkennung wird immer mehr zum Fluch. Immer höher, schneller, weiter, besser, optimierter …

Das Streben zum perfekten Menschen verdrängt die Liebe. Die Liebe zu sich selbst. Dieser Verlust kratzt an allem, besonders am Urvertrauen und der Selbstliebe

Warum bietet die mangelnde Selbstliebe den idealen Nährboden für Essstörungen?

Michaela Schubert: Das einst bedingungslos geliebte Menschlein wird plötzlich von Unsicherheit und innerer Leere dominiert. Keiner freut sich mehr, wenn man nach dem Essen ein fröhliches Bäuerchen macht. Im Gegenteil, jetzt gilt es als unanständig, um nur ein Beispiel aufzugreifen. Das Leben fordert. Das soziale Umfeld fordert. Die Schule, der Beruf fordert. Doch was passiert, wenn ein Mensch diesen Forderungen nicht standhalten kann? Keiner gesteht sich dies aus Angst vor Ausgrenzung ein. Nun frisst sich Scham wie eine Säure durch Körper und Seele. Liebevolle Gefühle werden taub. Schmerz und Traurigkeit dagegen blühen auf. Es entsteht ein perfekter Nährboden für eine perfide Essstörung.

Warum ist darum gerade die bedingungslose Selbstliebe alles entscheidend?

Michaela Schubert: Der Weg des Erwachsenwerdens ist gepflastert mit Enttäuschungen, Ablehnung und Vorschriften, die schlimmstenfalls vom eigenen wahren Ich kilometerweit wegführen. „Wer bin ich wirklich? Was will ich wirklich?“ In erster Linie wollen wir von anderen geliebt und wertgeschätzt werden, ohne aber das eigene Spiegelbild ertragen zu können.

Gerade deswegen ist es so wichtig, einerseits die wahre Liebe für sich selbst wiederzufinden bzw. zu bewahren und anderseits die Wertschätzung bedingungslos aufrechtzuerhalten: „Du bist – so wie du bist – perfekt!“. Es gibt keine von Grund auf schlechten Menschen. Erst die erlebte Gewalt und auch verborgener Schmerz formen das wahrgenommene Spiegelbild.

Liebe Michaela, vielen Dank für das interessante Gespräch.

Michaela Schubert, Buchautorin von:


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Michaela Schubert
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